Tiergeschichten – Stoffel

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Stoffel: Stoffel – Oder der lange Weg in eine neue Zukunft. Nass – Kalt – Dunkel ...  Weihnachtszeit für alle Zweibeiner.... Doch ich bin da am Baumstamm angebunden. Die Leine ist so fest, ich komme nicht los. Ich friere und mache mich ganz klein, so das ich nicht zuviel Wärme verliere. ...

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Mein Besitzer will mich nicht mehr bei sich haben, er mag mich nicht mehr und hat sich auf diesem Weg von mir getrennt. Der Weg ist ein Hohlweg im Wald von Heiligenhaus, kaum einsehbar vom Spazierweg der anderen Menschen. Ich glaube, der Mensch wollte nicht das ich gefunden werde, wollte nicht das ich weiterlebe... ich träume von einer neuen Zukunft.. aber Zukunft, was ist das?? „Wuff, Wuff Wuff ..... „ Da werde ich mit lautem Gebell aus meinen Träumen gerissen. Ein großer Hund schnuppert an mir rum. „Was hast du da ? Was liegt da ? komm her !“ hörte ich eine Menschenstimme rufen, und gleich darauf näherten sich Schritte. Ich mach mich ganz klein, bewege mich kaum. Der Hund gehört zu lieben Menschen, die mich zuerst als verloren gegangene Wolldecke oder weggeworfene Pelzjacke einschätzten, aber deren Hund machte soviel Lärm das ich es kaum wagte, meinen Kopf zu heben. Als der liebe Mensch aber meine um den Baum gewickelte Leine sah, wusste er sofort was zu tun war. Er löste die Leine und wollte mich hochheben. Nein, das mag ich nun gar nicht, ich verbelle ihn zuerst einmal ganz kräftig, zeige ihm meine gefletschten Zähne, schließlich habe ich von Zweibeinern eine schlechte Meinung. Aber der Mann mit seiner Frau meinen es ja nur gut mit mir. Das wusste ich ja noch nicht, aber es waren die Menschen, die es mir ermöglichten, in eine neue und bessere Zukunft zu gelangen. Zukunft du kannst beginnen. Die lieben Menschen nehmen mich ihrem warmen Auto mit, neben dem Hund, der mich entdeckt hat und dem ich eigentlich meine neue Zukunft verdanke. Denn hätte er mich nicht erschnüffelt und mit Bellen nicht aufgehört, läge ich jetzt noch im Wald. Was wäre da aus mir geworden oder eben nicht..?? Noch unterwegs nahm die Frau mit anderen Leuten telefonisch Kontakt auf, und ich wurde zu einem Haus gefahren, wo ich erst einmal in einem warmen Raum von weiteren Menschen begutachtet werde. Mein Fell ist zottelig, und jeder Versuch mich mit Händen zu berühren wehre ich so gut es geht mit meinem Gebiss ab. „Ein Beißer.., völlig gestört.., ungepflegt und sicher hungrig... „ sagte eine Frau, „...den kriegen wir wieder hin, dem geht es bald besser, Mal schauen.“  Ich legte mich auf die warme Decke und regte mich nicht mehr. Auch das Essen das die mir hinstellten rührte ich nicht an, ich fresse doch nicht aus einem Hundenapf, und Wasser brauche ich eh keins.. ich will nur schlafen und es sollen mich alle in Ruhe lassen. Die lieben Menschen bei denen ich nun bin, suchten nach einem Namen für mich. Da der Schutzpatron der Reisenden, jener der die Kinder über den Fluss trägt,  der heilige Christophorus ist, gaben sie mir den Namen „Stoffel“. Stoffel so heiße ich nun, und auf diesen Namen höre ich gerne.

Am nächsten Tag musste ich mit der Frau bei der ich nun bin zu einem Mann im weißen Kittel, einem Doktor. Der wiederum begrabschte mich und untersuchte mich mal kurz. Da kann ich wieder meine Zähne zeigen, jawohl. Er band mir aber einen Maulkorb auf und pikste mich mit der Spritze. Beim ersten mal tat es nicht weh, er traf nur mein dichtes zottiges Fell. Nach dem zweiten mal piksen wurde mir bald schwarz vor Augen und einen tiefen Schlaf überrollte mich. Ich bekam eine ordentliche Vitaminspritze, wurde auf alles mögliche untersucht, meine Ohren und meine Augen wurden von den lästigen Krusten befreit usw. das alles bekam ich aber nicht mit, ich war ja im Tiefschlaf.
Als ich begann aufzuwachen war es vorbei mit warmen Pelzkleid, mein Fell war bis auf wenige Millimeter abgeschoren. Ich kann wieder meine Beine richtig bewegen, erkenne wieder mehr vor meinem Gesicht, aber es juckt doch da und dort. Die Frau kraulte mir den Rücken, das tat gut. Ich denke die Frau mag mich, ich mag sie auch immer mehr. Der Mann von ihr brachte wieder Essen im Napf, aber das rührte ich wieder nicht an. Ich will mein Essen wie gewohnt vom Teller. Nachdem der Mann das Essen auf einen Teller umschüttete und es mir vor die Nase setzte, ja dann konnte ich reinhauen, konnte ich meinen Magen wieder füllen.

Der Mann ist auch lieb zu mir, er streichelt mir über den Rücken, krault mich am Nacken. Ich denke, da bin ich gut aufgehoben, da will ich erste einmal bleiben.Mit jedem Tag den ich da verbrachte wurde meine Zutraulichkeit größer zu den lieben Menschen bei denen ich bin.Ich knurrte und schnappte nicht mehr nach jeder Hand. Bei den Menschen wohnen viele andere Tiere, Hunde mit vier Beinen, aber auch lustige Hunde in allen Farben und nur zwei Beinen. Die bellen zwar nicht, aber ich kann sie anbellen und dann kreischen die so lustig. Einer der großen Hunde, die mit dem schwarzweißem Fell, ist so etwas wie die Chefin hier, die knurrt mich manchmal an und ermahnt mich, wie ich mich da im Haus benehmen muss. Sie ist lieb und verständnisvoll, und manchmal darf ich nach ihr auch an ihr Fressen gehen und den Rest aufessen, aber erst wenn sie fertig ist. Sie darf bei dem Mann ab und zu kuscheln, das versuche ich auch mal, und siehe da, ich durfte mich auch zu ihm hinlegen und mich wohl fühlen. Mit jedem Tag ging es mir besser und meine Zukunft scheint gesichert zu sein.

Ab und zu kamen andere Menschen und schauten mich an. Die verbelle ich erst einmal ordentlich, oder beiße ihnen in die Beine. Ab und zu gehen solche auch mit mir spazieren. Da verbelle ich alle anderen Hunde richtig zornig, keiner soll mir zu nahe kommen, außer die die ich schon kenne. Es heißt ich sei zickig und ein schwerer Fall, aber mit Liebe wäre ich ein guter Hund. Ich bekomme mit, das ich bei den Menschen nicht bleiben kann, da sie so etwas wie ein Tierheim haben. Da kommen und gehen immer wieder Tiere. So muss auch ich eines Tages den Weg machen wie die anderen, ich bekam neue Besitzer.
Meine neuen Besitzer haben ein Kind und sie meinen es sicher gut mit mir, aber leider wissen die nicht genau, wie Menschen mit einem so schwerem Fall wie ich einer bin, genau umzugehen ist. Mit meiner angeborenen Dominanz hatte ich die bald alle im Griff, konnte jeden und jede nach Herzenslust verbellen oder strammstehen lassen. Die Leute gingen mit mir auch zum Doktor, wegen Spritzen und so, und eines Tages hieß es dann, ich sei Blind. Blind, ich soll nichts sehen??  Eine große Operation auf beiden Augen stehe an, sehr teuer und aufwendig. Die Leute können das nicht einfach so bezahlen, man müsse abwarten.

Es muss eine Therapie mit mir gemacht werden, ich müsse aufhören nach jedem zu schnappen der mir zunahe kommt, ich müsse ruhig hinhalten wenn sie mir Wasser in die Augen tropfen lassen, etc. Da kam dann so ein Hundtrainer ins Haus und gab meinen Besitzer Ratschläge die wohl nichts brachten. In der Zwischenzeit wurde in der Zeitung über mich berichtet und viele liebe Menschen erfuhren von meinem Leid. Sie spendeten bei dem Tierheim viel Geld für meine Operation.  Aber meine Besitzer kamen mit mir nicht klar, konnten mich nicht richtig betreuen und händeln. Sie gaben mich nach knapp drei Monaten ans Tierheim zurück. Ist das nun eine gute Zukunft?? Werde ich jetzt zum Wanderpokal??

Wieder im Tierheim bei den lieben Menschen die sich am Anfang um mich gekümmert haben fühle ich mich gleich besser. Auch die große schwarzweiße Hündin mag mich immer noch. Ja, da ist alles in bester Ordnung, da fühle ich mich am wohlsten. Auch die Frau und ihr Mann machten mit mir Therapie, und siehe da, es tut gar nicht weh, wenn die mich auf den Arm nehmen und mit die Tropfen verabreichen, ich knurre zwar, aber zubeißen muss ich ja nicht immer. Jeden Tag werde ich abgeholt zum Spazierengehen, immer wieder kann ich das Vertrauen zu den Mitmenschen erweitern und aufbauen, es geht mir immer besser und die Leute kommen immer besser mit mir klar. Eines Tages stand nun der Termin für meine Operation fest. Ich musste mit meinen Menschen zur Voruntersuchung, und der Mann in der Klinik sagte zu uns, ich sei nicht blind sondern hätte nur ein stark eingeschränktes Blickfeld. Ich sehe zwar, aber nur ein Teil, nicht alles. Das sei auch der Grund warum ich um mich beiße. Das kriegen wir hin, meinte er, zu fast Einhundertprozent. Eine Woche später war es dann soweit. Ich wurde vom meinem Herrchen in die Klinik gebracht und am Nachmittag schon war dann auch die Operation. Da alles so reibungslos und gut ging, machte der Doktor gleich beide Augen, statt wie vorgesehen zuerst nur eines. Ich wurde dann vom Pflegepersonal stationär gut behandelt, jedoch immer mit der Binde um meine Schnauze. Ich beiße ja immer noch jeden den ich nicht kenne und der mir im Gesicht rumfummelt. Aber mit der Zeit gewöhne ich mich an die Prozedur, ich kann’s ja nicht ändern, und gut soll es ja auch sein, gut für mich.
Von Tag zu Tag sehe ich nun besser und mehr von meiner Umwelt, was es da nicht so alles gibt was ich noch nie richtig gesehen habe. Nach einer Woche holt mich mein geliebtes Herrchen wieder nach Hause. Da habe ich mich aber ganz riesig gefreut, habe mich fast rückwärts überschlagen, habe ihm ganz fest das Gesicht abgeleckt, bin immer an ihm hochgesprungen. Ich habe ihn ganz fest lieb. Auf der Heimfahrt habe ich endlich mal zum Fenster rausgeschaut und alles mitbekommen wie die Welt da draußen so aussieht. Endlich erkenne ich alles, sehe alles, kann mich neu orientieren. Zu Hause geht’s auch besser, der große schwarzweiße Hund ist eine Huskydame, die bunten Hunde sind Vögel die von mir wegfliegen wenn ich sie in der Voliere anbelle. Mensch Hund, macht das Spaß alles zu sehen. Ich bekomme zwar noch dreimal täglich die Tropfen in die Augen, aber ich habe mich so daran gewöhnt dass die lieben Menschen die mich behandeln keinen Maulkorb mehr brauchen, ich beiße nicht mehr, ich knurre nur noch. Jeden Tag werde ich nun abgeholt zum spazieren, auch an den Wochenenden darf ich zu lieben Menschen gehen, die auch einen Hund haben, der mir ähnlich sieht.Auch klein und weiß. Es sei die Schwester meiner Besitzer die mich zwischendurch bei sich hatten und mit mir nicht klar gekommen sind, aber die Schwester ist ganz Ok. Bei ihr habe ich sehr viel gelernt, vieles das ich in meiner Zukunft gebrauchen kann. Man(n) (Frau) muss einfach Geduld haben mit mir, ich bin kein einfacher Hund, habe immer noch meinen Kopf den ich durchsetzen will, habe immer noch die Marotte mal da oder dort kurz in die Beine zu zwicken, aber ich denke mal, irgendwann höre ich damit auch auf. Es kommt auf die Liebe der Menschen an, die mich bei sich halten.

Seit ende Juli bin ich nun bei meinen neuen Dosenöffner. Da sind auch noch zwei Kumpels von mir dabei, und auch Katzen und Meerschweinchen, ebenso ein Teich mit Goldfischen. Da stehe ich oft davor und belle die Jungs im Teich an. Auch der letzte Termin beim Arzt war schon, ich bin gesund, sehe nun alles gut und habe schon einige Macken die ich hatte abgelegt. Ich weiß, von nun an habe ich die Zukunft die ich mir erträumte. Die Zukunft die man mir nicht gewähren wollte, sondern damals mit dem anbinden im Wald zu verhindern versuchte.
Ich möchte allen lieben Menschen und Hunden die ich seither kennen gelernt habe danken, danken für ein besseres Leben mit meinem neuen Augenlicht. Ich danke auch allen lieben Spendern die mir dies ermöglichten. Ich sehe nun sprichwörtlich in eine neue und sichere Zukunft. Wuff.. Wuff.. Wuff.. Euer „Stoffel“